Die Künstlerin
Melanie Berlinger


                                                                              Foto: © Magdalena Türtscher


Melanie Berlinger, geboren 1984, wuchs in Mellau im Bregenzerwald auf. Sie hat an der Universität für angewandte Kunst in Wien, an der Akademie der bildenden Künste in Wien und an der Pontificia Universidad Catolica de Chile in Santiago de Chile studiert. Seit dem Abschluss ihres Studiums ist sie freischaffend künstlerisch tätig, hauptsächlich arbeitet sie mit dem Medium der Druckgrafik und der Zeichnung.  Sie arbeitet in Schlins und in ihrer ihrer Druckwerkstatt in Mellau in Vorarlberg.


Fotos: © Ivo Vögel

Inspiration:
„Die Geste des Sammelns als Prozess“


„Der Sammler sieht in den Dingen mehr, als sie sind. Er erkennt in ihnen verborgene Schätze und Geheimnisse.“ Walter Benjamin

Melanie Berlinger ist eine Sammlerin, der Spaziergang ihr Werkzeug, die Umgebung ihre Quelle. Zu Fuß erkundet sie Orte und Landschaften, durch den gemächlichen Schritt kann der neugierige Blick schweifen. Dabei sammelt sie Dinge, die ihr begegnen, die sie faszinieren ob ihres Aussehens oder ihrer Kuriosität. Das Gefundene ist naturgeschaffen oder menschengemacht – eine Haarspange, ein Schlüssel, ein Stein, eine Samenkapsel und besonders: Insekten. In ihrem Archiv verwahrt die Künstlerin diese Funde, die ihrem eigentlichen Kontext entrückt nun mit neuer Bedeutung aufgeladen sind: Es sind Erinnerungen an Wege, Dinge mit verlorenen Geschichten, Kostbarkeiten der Natur. Was sie alle verbindet, ist ihre scheinbare Banalität: Es ist ein Archiv des Alltags, aus dem die Künstlerin schöpft.



Zeichnung:
„Eine Dokumentation und visuelle Auseinandersetzung mit dem Gefundenen.“


„Die Kunst ist ein Verbesserungsvorschlag an die Natur, ein Nachmachen, dessen verborgenstes Innere ein Vormachen ist.“
Walter Benjamin

Die Zeichnung ist das Mittel zum Zweck: Sie ist künstlerischer Ausdruck und Methode zugleich, um mit dem Motiv in eine Auseinandersetzung zu treten, es aus der Perspektive der Künstlerin zu dokumentieren. Ein Prozess, der Zeit und Konzentration erfordert. Melanie Berlinger erfasst das (angeeignete) Objekt – in seiner Form, Struktur und Materialität. Die Linie ist dabei ihr Instrument. Auf weißem Papier setzt sie mit dem Bleistift zum Motiv an, lässt es Strich für Strich entstehen. Über die Bewegung der Hand wird es begreifbar: Mit Neugier und Akribie erwächst eine naturalistische Zeichnung. Der vergrößerte Maßstab löst das Dargestellte aus seinem natürlichen Umfeld, macht Details sichtbar, die mit freiem Auge nicht wahrnehmbar sind. Es sind Studien von monumentalem Stillstand, Liniengebilde auf weißem Grund, in denen der wissenschaftliche und künstlerische Blick miteinander verschmelzen.





Druckgrafik:
„Die künstlerische Obliegenheit der Hand“


Die Arbeit der Hände, betraut mit der Realisierung der Idee, ist ein wesentliches Moment im künstlerischen Schaffen von Melanie Berlinger – das auch als Motiv in die Kunstwerke eintritt. Im Handwerk der Druckgrafik gehen Künstlerin und Kunstwerk eine kreative Verbindung ein: Der Druck erfordert Einsatz, der Vorgang in all seinen Phasen körperliche Anstrengung. Das Ergebnis wirkt mühelos. Melanie Berlinger pflegt die Tradition der klassischen Radierung ebenso, wie neue Erkenntnisse des Tiefdrucks in ihre Arbeiten einfließen: Der Versuch ist Teil des künstlerischen Prozesses.

Motiv der Druckgrafiken sind Objekte, Fundstücke aus der Natur. Stark vergrößert in ihren formalen Elementen und Strukturen ergibt sich ein ungewohnter An- bzw. Einblick: nahezu alltägliche Gegenstände, die in ihrer präzisen Darstellung bestechen. Die genau gesetzten Linien unterschiedlicher Längen und Stärken erwirken in ihrer Gesamtheit räumliche Tiefe und Realismus. Aus ihrem natürlichen Kontext gelöst, heben sich die Objekte kontrastreich vom monochromen Hintergrund ab. Subtile Farbakzente vervollständigen das Bild. In dieser Inszenierung präsentieren sich unscheinbare Gegenstände als zeitlose Kunstwerke.





Werkstatt
Die Druckwerkstatt von Melanie Berlinger ist als immaterielles Kulturerbe bei der UNESCO gelistet und liegt in Mellau im Bregenzerwald. Dort entstehen die Radierungen der Künstlerin. Dieses spätmittelalterliche Tiefdruckverfahren galt im 15. Jahrhundert als günstigere Alternative zum aufwendigen Kupferstich. Die Drucktechnik etablierte sich erst im Laufe des 17. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Kunstgattung, die Kunstdrucke für das wohlhabende Bürgertum lieferte. Der Herstellungsprozess besteht aus mehreren Arbeitsschritten und erfordert künstlerische wie technische Fähigkeiten. Neben der Pflege dieses historischen Handwerks widmet sich die Künstlerin auch modernen Vervielfältigungstechniken wie dem Photopolymerdruck.